Homöostase- oder doch lieber Homöodynamik?

Der Begriff Homöostase wurde 1926 durch den Physiologen Walter Bradford Cannon geprägt, der von der inneren Stabilität, die der Körper auch bei schwankenden Bedingungen halten kann, fasziniert war.

Dieses dynamische Aufrechterhalten komplexer Gleichgewichte innerhalb enger Grenzen, aber mit erstaunlichen »Sicherheitsreserven«, wie Cannon sich ingenieurwissenschaftlich ausdrückte, nannte er »Homöostase«.

Für ihn ist dieses Gleichgewicht unmittelbar mit Ökonomie gekoppelt – umso ausgewogener, desto weniger Energie ist erforderlich, was die Effizienz  signifikant ansteigen lässt – all dies beschreibt er in einer Studie, die er – by the way – „Weisheit des Körpers“ nannte, 1932.

Cannon stellte außerdem den Bezug zur Faszie her. Er schreibt in der  „Weisheit des Körpers“ von seiner Faszination: „vom Wunder dieser organischen Fabrik und ihrer Fähigkeit die Stabilität der Lebensprozesse mittels eines komplexen Zusammenspiels von sich selbst regulierenden physiologischen Prozessen, die sich innerhalb der fluiden Matrix des Körpers organisieren, aufrechtzuerhalten“.

Hier erklärt er sein Gedankenmodell auf der Matrixebene, als Versorger/Schutzorgan und Schmelztegel für chemische Botschaften, neuronale Impulse, Zellen des Immunsystems, piezoelektrische Reaktionen, komplexe Spannungsregulationssysteme etc. Die Matrix sei ein Ort, an dem homöostatische Prozesse bestens greifen.

Er schreibt weiter:
„Der homöostatische Prozess ist inkarniert im Metabolismus durch den sich ein lebendiger Organismus stabilisiert“

Aber sind es nicht gerade die dynamischen Reaktionen des Körpers, die die Selbstregulation ausmachen?

Ist nicht gerade die Fähigkeit Fieber zu erzeugen eine wunderbare Möglichkeit des Körpers, durch diese Maßnahme einen stabilen Gesundheitszustand zurück zu erlangen? Wir sehen dies gerade bei Kindern. Sie stehen in der Regel nach einer fiebrigen Erkrankung auf, wie der Phoenix aus der Asche.

Wenn ich dies in meine Betrachtung über selbstregulierendes Gleichgewicht zugrunde lege, kann ich dem Begriff Homöodynamik (geprägt durch die zwei chilenischen Biologen – Francesco Varela und Humberto Maturana in den 1980ern) als Alternative zu Homöostase eine Menge abgewinnen.

Maturana und Varela, die auch für den Begriff der Autopoiesis  – für mich etwas wie biologische Eigenverantwortung – stehen, haben durch diese begriffliche Variante die Bewegung in diesem Prozess der Selbstregulation, Selbsterhaltung oder, noch weitergehend, Selbstgestaltung nach vorne gebracht.

Prozesse der Gesundung verlaufen nach meiner Erfahrung in der Regel  nicht linear, auch wenn wir wissen, wie wichtig Stabilität ist, um effizient zu sein, so zeigt doch die Erfahrung, dass fehlende Dynamik zu einer unzureichenden Adaptationsfähigkeit führt, oder zumindest führen kann.

Also doch wieder stabile Mobilität – eine Dualität, die nicht nur mein Therapeutendasein begleitet (schon seit meinen frühen Bobath-Tagen) sondern, die auch meinen Alltag, mal mehr und mal weniger, in der Waage hält.

In jedem Fall inspirierend für mich – diese Ideen von Cannon und Varela/Maturana-  nicht nur für Faszie und Rhythmus, aber doch besonders dafür.

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